Die Doris, Manfred und Christian-Story
1967 beschließen in Herford/Ostwestfalen drei junge Leute, aus ihrer Liebe zu Liedern aus verschiedenen Ländern etwas zu machen und eine Band auf die Füße zu stellen – die “Folkloregruppe” Doris, Manfred und Christian wird geboren. Zwei Brüder, Gymnasiasten, und eine Auslandskorrespondentin beginnen, ein Repertoire von bekannten und weniger bekannten Liedern – bestehend aus Volksliedern, Bänkelliedern, Protestliedern, aber auch Popsongs und eigenen Texten – zusammenzustellen. Es soll eine abwechslungsreiche Mischung aus unterschiedlichen Sprachen, Melodien und Rhythmen werden, interpretiert von drei Stimmen und zwei Gitarren.
Die Musikszene
Ende der 60er Jahre gibt es in Deutschland eine breitgefächerte Musikszene mit vielen Richtungen: auf der einen Seite dominiert immer noch der Beat aus dem angelsächsischen Raum, der zunehmend auch komplexer wird; daneben treten Rock und Rhythm’n’Blues auf die Bühne. Auf der anderen Seite gibt es eine Entwicklung zum Lied, zum Song, zum Chanson, die durchaus charttauglich wird. In der deutschen Hitparade findet sich neben Schlagersängern wie Freddy, Peter Alexander, Roy Black, Rex Gildo und Manuela das Gesangsduo Esther und Abi Ofarim, das das Weltlied populär macht und 1968 die Plätze 31 und 35 belegt. Sänger französischer und italienischer Lieder wie z.B. Adamo und Adriano Celentano sind ebenso in den Charts vertreten. Die Südafrikanerin Miriam Makeba wird weltweit bekannt.
Aber auch ausserhalb der Hitparade bildet sich eine neue Szene. 1964 hat auf der Burg Waldeck im Hunsrück das erste Festival stattgefunden, das ausschließlich Liedermacher deutscher Sprache auf die Bühne bringt; ihm folgen noch weitere fünf. Zu den Liedermachern gehören Reinhard Mey, Hannes Wader, Hanns Dieter Hüsch und Dieter Süverkrüp, die dadurch einem größeren Publikum bekannt werden. Franz Josef Degenhardt hat schon seit längerer Zeit politische Lieder mit bissigen Texten gesungen.
Der kanadische Sänger und Songschreiber Gordon Lightfoot macht sich auch hierzulande einen Namen. Und aus den USA kommen Joan Baez und der Mann, der durch seine Texte, sein Auftreten, aber auch durch seine Biografie zum Folksänger schlechthin wird: Bob Dylan.
Was sind Folksongs?
Es sind natürlich in erster Linie Volkslieder und -weisen, von denen sich in vielen Ländern über die Jahrhunderte eine reiche Auswahl angesammelt hat. Zu diesen Liedern gehören z.B. Trinklieder, Tanzlieder, Seemannslieder, Spirituals, Balladen, Cowboysongs, Bänkellieder, Fahrtenlieder, Freiheitslieder, Wiegenlieder und viele mehr. Aber es sind eben auch moderne Songs – entstanden in den letzten 50, 60 Jahren, die sich in ihrer Form den Volksliedern annähern: unkomplizierte Texte, klare einfache Melodien, Strophenform, vor allem dargeboten mit wenigen Instrumenten, hauptsächlich mit Gitarre. Eine weitere Definition, formuliert von Tom Glazer, einem versierten Sammler amerikanischer Folksongs: “…fast jeder Song, der bei fast allen im Ursprungsland über einen langen Zeitraum beliebt ist”.
Die Anfänge
1967 schreibt die “Europäische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung von künstlerischem Nachwuchs” den Talentwettbewerb “Chance ’67” aus. DMC nehmen teil und werden in der Gruppe “Lied und Chanson” auf Anhieb Sieger im Landes- und Bundesausscheid (Bückeburg und Bochum) und schließlich 2. Sieger in der Endausscheidung in Olloy (Belgien).
Erste lokale Auftritte im Herforder Raum folgen, so in einer Show mit Chris Howland und bei Festbällen der Deutschen Jugend-Leichtathletik-Meisterschaft und des 100jährigen Jubiläums des eigenen Gymnasiums.
Stadtjugendämter sind in diesen Jahren meist die Veranstalter von Folktreffen, mit denen jugendliches Publikum angesprochen werden soll, ob sie “Jugend sucht ihre Talente”, “Folklore-Protest-Meeting” oder “Jungbürgerparty” heißen. DMC treten an solchen Abenden auch in weiterem Umkreis in Städten wie Dortmund und Hagen auf.
Konzerte
Zwei Jahre nach ihrem Start wagen DMC einen weiteren Schritt nach vorn: in Cloppenburg und in ihrem Heimatort Herford finden 1969 die ersten beiden abendfüllenden Konzerte statt, begleitet von einem begeisterten Publikum und positivem Presse-Echo. Diesen Konzerten folgen weitere, so in Vechta, Bünde, Iserlohn, Lübbecke, Ahlen, Minden, Brackwede, Preussisch-Oldendorf und Espelkamp.
Einladungen für einen Auftritt führen sie bis in den hohen Norden: auf der Nordseeinsel Wangerooge stehen DMC 1970 für einen Konzertabend auf der Bühne, zwei Jahre später noch einmal. Und der renommierte Folkclub “Danny’s Pan” veranstaltet 1971 in Hamburg und Düsseldorf vier Abende mit DMC.
Ein besonderes Ereignis ist für die Gruppe die Teilnahme an einem “Gala-Abend der Stars” in Bad Berleburg. Dort treten unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundesjustizministers Gerhard Jahn Künstler in der “Aktion für gelähmte Kinder ’72” auf.
Die Lieder
Fernsehen
1970 bewerben sich DMC beim damaligen Südwestfunk (SWF), heute SWR, um die Teilnahme an der Sendereihe “Talentschuppen”. Diese beliebte Fernsehsendung wird von 1966 bis 1984 produziert; Moderator ist zu diesem Zeitpunkt Dieter Pröttel. Tatsächlich erfolgt eine Einladung, und im August des Jahres wirken DMC bei der aktuellen Produktion mit. Ihr Beitrag ist eine Coverversion des Songs “When will the good apples fall?”, den einige Jahre zuvor das australische Gesangstrio The Seekers populär gemacht hat.
Einer der Teilnehmer ist der damals noch unbekannte Liedermacher Ulrich Roski. Die Sendung wird am 31.10. in der ARD ausgestrahlt.
Das Originalvideo dieser Aufnahme ist noch erhalten:
Weitere Fernsehsendungen mit DMC sind “Hier und heute” (WDR) und “18, 20, nur nicht passen…” (ZDF).
Plattenproduktion
Im gleichen Jahr erreicht die Gruppe ein Angebot einer kleinen süddeutschen Plattenfirma, eine Langspielplatte aufzunehmen. DMC sagen zu, obwohl die Produktionsbedingungen und die Chance, damit ein größeres Publikum zu erreichen, nicht besonders vielversprechend sind. Die Aufnahmen finden im Mai 1970 und im April 1971 in einem zum Tonstudio umgebauten Kino in Rottenburg statt. Titel der LP wird eine Zeile aus dem amerikanischen Traditional “Greenback Dollar”: “Sing What Must Be Sung“. Neben diesem Titel versammeln sich auf dem Album Lieder, Songs und Chansons in sechs verschiedenen Sprachen.
Die Langspielplatte wird, nicht unerwartet, ein kommerzieller Flop, da die Produktionsfirma nicht über die erforderlichen Vertriebsmöglichkeiten verfügt.
Ausklang
1972/73 stehen DMC am Scheideweg: um die Richtung einer künstlerischen Karriere weiter zu verfolgen, wäre es notwendig, noch viel mehr Zeit in die Einstudierung von Liedern zu investieren. Eigenes Songwriting müsste in den Vordergrund rücken. Ein professionelles Management wäre enorm wichtig. Das alles verträgt sich nicht mit dem Amateurstatus, den DMC nach wie vor haben: Studium und Beruf fordern immer mehr Engagement. DMC versuchen zeitweise diesen Spagat. Aber da auch Bewerbungen bei größeren Plattenlabels letzlich erfolglos bleiben, ist die Auflösung der Gruppe absehbar.
In Herford findet im September 1972 noch einmal ein großer Konzertabend statt. Die letzten Auftritte haben DMC im Mai 1973 bei zwei Gottesdiensten in Oldentrup mit einem auf diesen Rahmen ausgerichteten Programm.
Fotonachweis S.2 “Fernsehen”: city-sound sigi a. emmerling, münchen